Ökostrom / ohne Förderung

Windgeschichte in 300
Kilowatt und 30 Jahren

8 Minuten Lesezeit

Sie laufen und laufen und laufen … Die beiden Windräder, die Peter Ahmels auf seinen Acker gestellt hat, liefern seit drei Jahrzehnten grünen Strom – seit 2021 komplett förderfrei an naturstrom. Und erreichen damit zum zweiten Mal Pionierstatus.

Peter Ahmels ist Windraftpionier.

Peter Ahmels ist Windkraftpionier. In seinen Erfahrungen spiegeln sich 30 Jahre bundesdeutscher Energiegeschichte wider. Gut erinnert er sich an die Anfänge seiner beiden 300-Kilowatt-Windräder. Das erste profitierte vom 250-Megawatt-Programm, das Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) damals aufgelegt hatte, das zweite dann von einem Landesförderprogramm Niedersachsens.

Der Glaube an die Erneuerbaren war zu der Zeit nicht der einzige Grund, die Windkraft zu unterstützen. Landwirten wie ihm sollte auch eine zusätzliche Einnahmequelle eröffnet werden, sagt Ahmels.

Landwirt ist der Windwirt schon lange nicht mehr. Dass er die Anlagen aber auf eigenem Acker errichten konnte, habe vieles erleichtert, erklärt Ahmels, mit Blick auch auf heutige Erfahrungen. „Damals lief alles ohne viel Komplikationen ab.“

 

Vom Land- zum Windwirt

Beim 250-Megawatt-Programm gab es für die Betreiber vom Bund zehn Jahre lang für selbst genutzten Strom acht Pfennig pro Kilowattstunde. Wurde der Strom ins öffentliche Netz eingespeist, gab es sechs Pfennig vom Staat und 16,6 Pfennig vom Netzbetreiber.

Ab dem Jahr 2000 kamen die beiden 300-Kilowatt-Anlagen unter die Fittiche des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) – wie alle Wind- und Solarstromanlagen, die vor der Jahrtausendwende gebaut worden waren.

Das Stromeinspeisegesetz, das die Abnahme des Windstroms durch die Netzbetreiber garantierte, gab es aber schon seit 1990. Ohne diese Pflicht wäre die Windkraft nicht aus den Startlöchern gekommen, ist sich Ahmels sicher. „Das beseitigte das Problem, dass die Netzbetreiber den Strom nicht haben wollten.“

„Weitere zehn Jahre Betrieb sind auf jeden Fall drin“. Das wären dann 40 Jahre.

Am aufwendigsten in all den Jahren war, die ab 2014 geltende Anforderung umzusetzen, die Anlagen für Netzbetreiber und Stromvermarkter fernsteuerbar zu machen, wertet Ahmels rückblickend. Dass so etwas einmal vorgeschrieben wird, hatte Anfang der 1990er Jahre niemand voraussehen können.

Aus heutiger Sicht waren die beiden Enercon-Anlagen großzügig ausgelegt und robust, lobt der erfahrene Betreiber. Mit der Zeit mussten natürlich Teile erneuert werden, aber weitere zehn Jahre Betrieb sind auf jeden Fall drin, meint Ahmels. Dann würden seine Windkraftwerke 40 Jahre laufen. „Das ist schon eine Ansage“, freut er sich.

In seinen Erfahrungen spiegeln sich 30 Jahre bundesdeutscher Energiegeschichte wider.

Für 6.000 Windkraftwerke endete
2020 deren EEG-Vergütung

Die Studie kam zum Ergebnis, ein Weiterbetrieb der älteren Anlagen sei ab einem Erlös von etwa 4 Cent pro Kilowattstunde wirtschaftlich gut möglich. Damals lag der Strompreis auf dem kurzfristigen Markt, wo der Windstrom gehandelt wird, nur bei um die 3 Cent.

Altanlagen auf der Kippe

Einige Zeit sah es danach aber gar nicht aus. Ahmels Anlagen gehörten zu den etwa 6.000 Windkraftwerken, die vor dem Jahr 2000 in Betrieb gegangen waren und deren EEG-Vergütung gesetzlich vorgeschrieben 2020 endete.

Ahmels selbst arbeitete zu der Zeit schon seit Jahren als Leiter für Erneuerbare Energien bei der Deutschen Umwelthilfe. Zusammen mit naturstrom präsentierte die Umweltorganisation 2017 eine Studie, die prüfte, wie ältere Anlagen ihren Betrieb ohne EEG-Förderung allein über den Strommarkt finanzieren können.

Die Zukunft vieler tausend Megawatt Windkraft stand auf dem Spiel. Es würde Jahre brauchen, um wegfallende alte Anlagen durch neue auszugleichen, warnte Ahmels damals. Dabei nehme der Bedarf an erneuerbarem Strom zu für Klimaschutz, für Verkehr und Wärme.

Würden Altanlagen massenweise vom Netz gehen, werde die Energiewende um Jahre zurückgeworfen, warnte damals auch Oliver Hummel, heute naturstrom-Vorstandschef, bei der Präsentation der Studie.

Bürgerenergiegesellschaften benötigen diese gesetzliche Förderung als Finanzierungsbasis gegenüber kreditgebenden Banken

Second life für rüstige Räder

Im September 2020, kurz vor Ablauf der EEG-Förderung, einigten sich Windkraftbetreiber Ahmels und naturstrom über den Weiterbetrieb der beiden Altanlagen. Sie stehen heute stellvertretend für über 300 ausgeförderte Windräder, die Strom direkt für die naturstrom-Kund:innen liefern.

Was die Studie 2017 und selbst alle Expert:innen lange Zeit nicht auch nur erahnen konnten: Durch die ab 2021 einsetzende Gaskrise ging der Strompreis im Folgejahr 2022 durch die Decke. Im Frühjahr 2023 hat er sich bei 10 Cent für die Kilowattstunde am kurzfristigen Markt eingependelt.

Mit der Partnerschaft mit naturstrom ist der Windkraftpionier sehr zufrieden. Dazu trägt natürlich bei, dass sich der Preiswind am Markt gedreht hat. Es sei erfreulich, dass nach Abzug der Betriebskosten der älteren Anlagen noch was übrigbleibe, sagt Ahmels.

Dazu kommt ein genereller Wandel: Grüne Energie ist gefragt wie nie. Zudem kann Strom aus Anlagen, die nicht oder nicht mehr durchs EEG gefördert werden, als echter Grünstrom vermarktet werden. Den nehmen Unternehmen gern ab, um ihre Produkte als nachhaltig und klimaneutral labeln zu können.

„Werde die Windkraft als Bürgerenergie vor Ort umgesetzt und fließe dann auch etwas an die Kommunen zurück, könne das einen Schub bei der Energiewende auslösen“

Peter Ahmels

Auch wenn bei ihm die Zusammenarbeit mit naturstrom gut funktioniert – eine gesetzliche Förderung der Windkraft hält Ahmels auch in Zukunft für unabdingbar. Besonders Bürgerenergiegesellschaften benötigen seiner Erfahrung nach diese Finanzierungsbasis gegenüber den kreditgebenden Banken, betont der erfahrene Betreiber, der auch zehn Jahre an der Spitze des Windkraft-Branchenverbandes BWE stand.

Eine tragende Rolle der Bürgerinnen und Bürger beim Ausbau der Windkraft kann nach Ahmels Auffassung zu mehr Akzeptanz vor Ort beitragen. Werde die Windkraft als Bürgerenergie vor Ort umgesetzt und fließe dann auch etwas an die Kommunen zurück, könne das einen Schub bei der Energiewende auslösen, meint er.

Der Ruf der Grünstromer hat sich jedenfalls, so Ahmels Erfahrung, über die Zeit grundlegend verändert. Die Wertschätzung für den erneuerbaren Strom ist gestiegen. „Früher galt man mit seiner Windkraft eher für lästig – jetzt können wir mit Stolz sagen, wir machen das seit 30 Jahren“, sagt er.

Peter Ahmels Anlagen stehen heute stellvertretend für über 300 ausgeförderte Windräder, die Strom direkt für die naturstrom-Kund:innen liefern.

„Früher galt man mit seiner Windkraft eher für lästig – jetzt können wir mit Stolz sagen, wir machen das seit 30 Jahren.“

Peter Ahmels
Windkraftpionier

Fotos: Tim Ahmels