Wind- und Sonnen­strom wird Wärme

Vieles gelingt besser, wenn sich mehrere zusammentun – auch die Wärmewende. Wärmenetze, die mehrere Gebäude versorgen, rücken deshalb in den Fokus. Eine wichtige Zukunftsoption für die klimafreundliche Wärmerzeugung in solchen Netzen sind Power-to-Heat-Anlagen.

Um auch unsanierte Gebäude ohne kleinteilige, langwierige Modernisierungsmaßnahmen erneuerbar beheizen zu können, werden seit einigen Jahren in verschiedensten Ortskulissen hochtemperierte Nahwärmenetze verlegt, an die sich private, gewerbliche und öffentliche Gebäude anschließen können. Ein neues Gesetz verpflichtet ab 2024 sogar alle Kommunen dazu, bis spätestens 2028 Wärmepläne zu erstellen und in diesem Zuge ein Wärmenetz zu prüfen. Ein solches Netz transportiert die in einer Energiezentrale zumeist regenerativ erzeugte Wärme zu den Gebäuden, wo sie mittels einer Wärmeübergabestation abgenommen wird.

Strom wird Wärme

Die Wärme stammt meistens aus Biomassekesseln, die mit Holzhackschnitzeln oder Holzpellets betrieben werden oder aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. „Genauso kann im Netz aber auch Wärme aus Power-to-Heat-Anlagen eingesetzt werden“, erklärt Tobias Huter, Projektleiter für kommunale Wärmekonzepte bei naturstrom.

Der Begriff Power-to-Heat steht für verschiedene Technologien, mit denen aus Strom Wärme erzeugt werden kann. Die klassische Variante: In einem Großwärmespeicher wird Wasser mit einer Art Heizstab erwärmt. Durch den fließt Strom, der aus Windenergie- oder Photovoltaikanlagen stammt. Der Speicher gibt die Wärme je nach Bedarf direkt an das örtliche Nahwärmenetz ab, von wo aus sie an die angeschlossenen Gebäude verteilt wird.

Das System kann bevorzugt dann Ökostrom in Wärme umwandeln, wenn es einen Überschuss im Netz gibt, zum Beispiel, weil der Wind kräftig weht. Flaut er ab, wird kein „frisch“ erzeugter Strom für die Wärmeversorgung benötigt, da die zuvor gespeicherte Wärme nun zum Einsatz kommt. Power-to-Heat liefert also nicht nur wohlige Wärme, sondern kann auch zur Netzstabilität beitragen – und dabei helfen, Ökostromanlagen besser auszulasten. Denn durch den steigenden Anteil an erneuerbarem Strom kommt es immer wieder dazu, dass vor allem Windenergieanlagen abgeschaltet werden müssen. Der erzeugte Strom kann oftmals nicht zeitgleich verbraucht oder schnell genug über das Netz abtransportiert werden. 2020 waren es immerhin rund sechs Milliarden Kilowattstunden Ökostrom, die so verloren gingen – und damit etwa ein Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Dieses Potenzial nutzbar zu machen ist einer der Vorteile von Power-to-Heat.

Kommunen werden zu Wärmeversorgern

In einigen Fällen kann der Strom aus der ortsansässigen Stromerzeugungsanlage sogar ohne Umwege über das öffentliche Stromnetz direkt zur Wärmeerzeugung genutzt werden. Das ist ein echter Preisvorteil für die Nutzer der Wärme, denn durch den räumlichen Zusammenhang entfallen die Netzentgelte, die einen entscheidenden Anteil des Strompreises ausmachen. Somit würde sich auch der Wärmepreis verringern.

Ohnehin muss bei ausreichenden Ökostrom-Erzeugungskapazitäten vor Ort über die Jahre nur mit geringen Preissteigerungen gerechnet werden. Durch den Großwärmespeicher ist das System aus Stromerzeugungsanlage, Energiezentrale und Nahwärmenetz in sich so stabil, dass es kaum Strom aus dem Netz benötigt. Wenn Wind- oder Photovoltaikanlagen-Betreiber sowie Betreiber von Energiezentrale und Nahwärmenetz unter einem Dach agieren, können sie im gemeinsamen Interesse handeln und den Kilowattstundenpreis des Stroms lange Zeit selbst bestimmen und stabil halten.

Das lohnt sich für Kommunen besonders, wenn sie Betreiber des Nahwärmenetzes sind und Anteile an der Betreibergesellschaft der Strom- und Wärmeerzeugungsanlage halten. Dadurch sind sie Erzeuger und Nutzer in einem. Sie können in wichtigen Fragen, wie zum Beispiel der Preisgestaltung, mitentscheiden und im Interesse ihrer Bürger handeln. Zudem generieren sie Einnahmen aus dem Betrieb der Anlagen und halten die Wertschöpfung vor Ort.

Vorreiter-Projekte in der Planung

naturstrom prüft derzeit für mehrere Kommunen die Kopplung von lokaler Stromerzeugung durch Wind oder Sonne mit Wärmeerzeugung“, berichtet Klaus Gruber, Projektleiter für Power-to-Heat. In der Ortsgemeinde Wahnwegen in Rheinland-Pfalz stehen für ein gemeinsames Projekt mit der Gemeinde alle Zeichen auf grün. Zusammen mit dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement hat naturstrom für den Ort mit rund 700 Einwohner:innen bereits ein integriertes Quartierskonzept erstellt.

Nun führt naturstrom zunächst eine Machbarkeitsstudie im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze durch, um die detaillierte Planung für den Betrieb des Nahwärmenetzes zu erstellen. „Die Machbarkeitsstudie vertieft und validiert die vorherigen Planungen und untersucht zudem, ob wir die Windenergieanlage, dir wir vor Ort planen, mit einer sehr flexiblen Power-to-Heat-Anlage inklusive Großwärmespeicher kombinieren oder ob es wirtschaftlicher ist, zusätzlich eine effizientere Großwärmepumpe einzusetzen“, erläutert Tobias Huter. Auf Basis der Studie kann die Entscheidung für die Realisierung der innovativen Wärmeversorgung getroffen werden – zeitlich abgestimmt auf mehrere geplante Straßensanierungen im Ort.

Energieunabhängigkeit für Wahnwegen

Mit der Verknüpfung von Strom und Wärme würde Wahnwegen einen großen Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit gehen. Denn geplant ist, dass die Gemeinde eine Gesellschaft gründet, mit der sie das Nahwärmenetz selbst betreibt und sie sich auch an der Betreibergesellschaft der Windenergieanlage und Energiezentrale beteiligt. Somit hat sie die Wärmeversorgung in der eigenen Hand und kann sie stets zum Vorteil ihrer Bürger steuern sowie die regionale Wertschöpfung steigern. „Wir sind zuversichtlich, mit der Kopplung von Windenergie und Wärme unsere Gemeinde zukunftsfähig zu machen. Wir möchten damit allen Bürger:innen ein Angebot machen, zukünftig ihr Gebäude klimaneutral zu heizen. Insbesondere für diejenigen, für die eine Sanierung ihrer Immobilien aus eigenen Kräften derzeit nicht möglich ist, ist dies eine echte Chance“, sagt Lutz Stötzer, Erster Beigeordneter von Wahnwegen.

Besonders erfolgsversprechend ist das Projekt in Wahnwegen, weil die Gemeinde voll hinter der Umsetzung steht und durch viel Engagement die Menschen vor Ort ebenfalls überzeugen konnte. In der Vorplanungsphase haben bereits über 150 Haushalte ihr Interesse an einem Anschluss bekundet.