naturstrom forscht

Ein Speicher fürs Mehrfamilienhaus

Seit Jahren erfreuen sich Batteriespeicher in Eigenheimen immer größerer Beliebtheit. Gerade Hausbesitzer:innen mit eigener Photovoltaikanlage schlagen zu, um noch mehr des selbstproduzierten Ökostroms effizient zu nutzen. Die Bewohner:innen von rund 20 Millionen Mietwohnungen hingegen bleiben bislang weitgehend auf der Strecke. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Dafür untersucht das von naturstrom koordinierte Forschungsprojekt MELANI, wie mehrere Wohnparteien sich Solaranlage und Stromspeicher teilen und gemeinsam nutzen können.

Kirsten Nölke, Vorständin der naturstrom AG und zuständig für das Geschäftsfeld Urbanes Wohnen und Gewerbe

Viele profitieren

„Mit einer Photovoltaikanlage wird die Immobilie zum kleinen Kraftwerk“, erklärt Kirsten Nölke, Vorständin der naturstrom AG und zuständig für das Geschäftsfeld Urbanes Wohnen und Gewerbe, in dem das MELANI-Projekt koordiniert wird. „Und wenn im Gebäude eine Mieterstromversorgung umgesetzt wird, profitieren alle von der günstigen und ökologischen Stromerzeugung: Bewohner:innen, Vermieter:innen und natürlich das Klima. Ein Batteriespeicher kann diesen Nutzen noch einmal deutlich steigern, denn die Speicherung des lokal erzeugten Solarstroms ermöglicht, ihn auch nach Sonnenuntergang zu nutzen. Dadurch müssen Bewohner:innen weniger Strom aus dem Netz beziehen und können sparen. Aber auch die Allgemeinheit profitiert, da Speicher das Netz entlasten und zukünftig auch flexibler machen.“

Welche Chancen dezentrale Batteriespeicher bieten, liegt also auf der Hand. Ihrem Einsatz in Mehrfamilienhäusern, in denen ja immerhin über 40 Prozent der Menschen in Deutschland leben, stehen trotzdem noch viele Hürden entgegen. Wenn verschiedene Haushalte gemeinsam eine Solaranlage und einen Speicher nutzen und durch ein angepasstes Verbrauchsverhalten auch individuell finanziell profitieren wollen, gibt es besondere Hindernisse: So muss jederzeit exakt bestimmt und abgerechnet werden können, welche Strommenge durch welche Wohnpartei aus der lokalen Photovoltaikanlage, dem Speicher oder aus dem öffentlichen Netz bezogen wurde. Und nicht nur das: „Diese Daten müssen auch so erhoben werden, dass sie anderen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen“, erklärt Nölke die anstehenden Herausforderungen. „Neben dem Netzbetreiber müssen auch andere Stromanbieter darauf zugreifen können, da die Wohnparteien ihre Versorger natürlich nach wie vor frei wählen dürfen. Hierfür die nötige Messtechnik zu entwickeln, die den hohen eichrechtskonformen Vorgaben entspricht, ist eine knifflige Angelegenheit und zentrales Ziel von MELANI.“

Feldversuch in Bielefelder Quartier

Nachdem in den vorangegangenen Projektphasen seit 2021 Konzepte, Verfahren und Geschäftsmodelle entwickelt wurden, tritt das Projekt im Oktober 2023 in die nächste Phase ein: In einem Bielefelder Neubau-Quartier beginnt der langvorbereitete Feldversuch.

„Mit den vier Mehrfamilienhäusern in der Holbeinstraße haben wir tatsächlich den idealen Ort für die Erprobung gefunden“, freut sich Melanie Kühl, bei naturstrom zuständig für die projektbegleitende Kommunikation. „Zwei der Häuser nehmen am Projekt teil, während die anderen beiden die Vergleichsgruppe bilden. Unseren günstigen direktstrom-Tarif, der den Solarstrom von zwei 47 Kilowattpeak-Anlagen auf den Dächern mit Ökostrom aus dem Netz kombiniert, bieten wir jedoch allen 48 Haushalten an. In beiden Fällen sind die Solaranlagen je mit einem 67 Kilowattstunden-Speicher kombiniert. Der eigentliche Unterschied der beiden Gruppen besteht darin, dass die „MELANI-Haushalte“ finanziell davon profitieren können, wenn sie ihr Verbrauchsverhalten anpassen und mehr Speicher- als Netzstrom nutzen.“

Melanie Kühl begleitet bei naturstrom die Kommunikation für das Foschungsprojekt MELANI.

Die Bewohner:innen der anderen beiden Häuser können dies zwar auch tun, erhalten dadurch aber keinen Geldvorteil. So ermittelt das Forschungsprojekt, welche Auswirkungen mögliche monetäre Anreize auf das individuelle Nutzungsverhalten haben können.

Mittels eines Webportals erhalten die teilnehmenden Haushalte Einblicke in die gemeinschaftliche Strom- und Speichernutzung. So können sie ihren individuellen Verbrauch entsprechend der lokalen Erzeugung sowie des gespeicherten Ökostroms gestalten und mit ihren Nachbar:innen koordinieren. „Solche digitalen Lösungen werden in den kommenden Jahren immer wichtiger werden, da sie eine netzdienliche, effiziente und dadurch günstige Stromnutzung ermöglichen“, erläutert Kühl. „So hält die Digitalisierung endlich auch im Mehrparteienhaus Einzug und eröffnet auch Mieter:innen eine Teilhabe an den Vorzügen der Energiewende.“

Nach der einjährigen Feldstudie in Bielefeld werden die Konzepte unter Berücksichtigung der Ergebnisse angepasst. Am Ende des Projektzeitraums sollen dann die Rahmenbedingungen für marktreife Geschäftsmodelle stehen, die für alle potentiellen Nutzer:innen – von Mietenden, über Energieversorger, bis hin zu Immobilienentwicklern – praktikabel sind.

Starke Forschungskooperation

Angesichts der großen Potentiale ist das Interesse an MELANI enorm, was sich auch an den hochkarätigen Kooperationspartnern zeigt: Neben dem global führenden Wechselrichtehersteller SMA und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt arbeitet auch das elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme der TU Braunschweig am Speicher-Projekt mit. Zudem fördert das Bundeswirtschaftsministerium das Projekt.

„Auch seitens der Wohnungswirtschaft wird das Projekt mit Interesse verfolgt und unterstützt“, berichtet Vorständin Kirsten Nölke. „MELANI erschließt mit dem Geschosswohnungsbau immerhin einen riesigen neuen Markt für Speichernutzung und erprobt bereits sich ergebende Geschäftsmodelle.“ Auch der einhergehende Modernisierungs- und Digitalisierungsschub der energetischen Gebäudetechnik ist für alle Akteur:innen interessant, bietet er doch gerade angesichts der anstehenden Herausforderungen im Gebäudesektor neue Chancen.

Meilenstein fürs Energiesystem

„Gerade der Blick auf die wachsende Zahl neuer Großverbraucher zeigt, wie wichtig die im Zuge von MELANI erprobten Energiemanagement-Lösungen künftig sein werden“, ordnet Nölke die Bedeutung des Forschungsprojekts ein. „E-Autos, Wärmepumpen und eben Speicher bergen enorme Chancen für das künftige Energiesystem, da sie – kombiniert mit der richtigen Technik – die Flexibilität schaffen, die künftig unverzichtbar sein wird.“

Warum eigentlich MELANI?

Der Projektname steht für „Mehrfach genutzte Energiespeicher im MehrfamiLienhAus nachhaltig integrieren“.