Durch Energy Sharing Energieversorgung gemeinschaftlich organisieren
Energy Sharing könnte eine günstigere, unabhängigere Energieversorgung für Bürger:innen ermöglichen und dem Erneuerbaren-Ausbau zusätzlichen Schub verleihen. Viel zu lang wurde das europarechtlich überfällige Thema in Deutschland nicht angegangen, aber inzwischen gibt es neuen Schwung.
Bei der Nennung des Begriffs „Energy Sharing“ bekommen viele engagierte Menschen aus der Bürgerenergieszene schnell feuchte Augen – sowohl vor Begeisterung als auch aus Ärger. Denn die Idee benennt quasi die Königsdisziplin der dezentralen Energieversorgung: Bürgerenergiegemeinschaften sollen direkt aus eigenen Anlagen Strom beziehen können, ganz ohne zwischengeschaltete Märkte und zu selbst bestimmten Konditionen. Energy Sharing könnte Energieversorgung so nicht nur sehr viel stärker demokratisieren, sondern ist gerade nach den Erfahrungen der Energiepreiskrise und mit Blick auf die inzwischen sehr günstigen Strom-Gestehungskosten aus Sonne und Wind auch ökonomisch attraktiv.
Die Idee des gemeinschaftlichen Energie-Teilens gibt es schon lange, und seit 2018 ist mit der zweiten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU ein solches Modell eigentlich auch europarechtliche Realität. Das Problem: Die Mitgliedsstaaten müssen diese Vorgabe in den eigenen nationalen Rechtsrahmen implementieren. Und das ist in Deutschland bislang nicht passiert, trotz Umsetzungsfrist bis Mitte 2021. Inzwischen nimmt das Thema aber an Fahrt auf, und naturstrom ist wieder einmal vorne mit dabei.
Gründungsidee in neuer Form
Schon die Gründung von naturstrom war von der Grundidee motiviert, dass Bürger:innen selbst ihre Energieversorgung in die Hand nehmen, selbstverständlich allein auf Basis Erneuerbarer Energien. Ob die regelmäßige Zusammenarbeit mit Bürgerenergiegesellschaften und Kommunen bei der Entwicklung von Wind- und Solarparks, das Angebot von Regional- und Anrainerstromtarifen, die Vor-Ort-Versorgung mit Strom und Wärme, etwa bei Mieterstromprojekten, oder die finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten am Unternehmen selbst sowie an einzelnen Erzeugungsvorhaben – die Möglichkeiten, Menschen in ihre Energieversorgung einzubinden, wurden vielfältig angewendet.
Eine direkte Nutzung bzw. Weitergabe eigenerzeugten Stroms für Bürgerenergiegemeinschaften ist aufgrund der Rahmenbedingungen bis heute jedoch kaum möglich. Von hemmenden Förderregularien über kaum erfüllbare Lieferantenverpflichtungen bis hin zu kontraproduktiven Marktmechanismen gibt es eine Vielzahl an Hürden für echtes Energy Sharing – noch. Denn inzwischen bekennt sich auch die Politik zu der Idee. „Schon immer wollten wir mit unseren Geschäftsaktivitäten neben dem ökologischen Umsteuern auch eine gewisse emanzipatorische Wirkung erreichen. Da ist uns schon viel geglückt. Die aktuellen Fortschritte beim Thema Energy Sharing könnten nun die nächste Stufe auf diesem Weg zünden“ ordnet naturstrom-Vorständin Kirsten Nölke die bisherigen und aktuellen Entwicklungen ein.
Energy Sharing endlich vor dem Durchbruch?
Nachdem schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung und noch einmal im Beschluss zum EEG 2023 ein klares politisches Bekenntnis zum Energy Sharing enthalten war, wurde mit der Solarstrategie vom Frühjahr 2023 erstmals ein klarer Prozess definiert: Demnach soll bis Jahresende eine entsprechende Arbeitsgruppe gegründet und die Realisierung damit vorbereitet werden. Und auch auf europäischer Ebene wird die Regelung wohl absehbar weiter gestärkt. Ein konkreter Vorschlag der Erneuerbaren-Branche zur Umsetzung in Deutschland liegt dazu auf dem Tisch. Das Konzeptpapier aus dem Frühjahr 2023, das unter anderem vom Bundesverband Erneuerbare Energien, dem Bündnis Bürgerenergie und auch unter Mitarbeit von naturstrom erstellt wurde, zeigt eine umfassende und durchdachte Lösung zum Thema Energy Sharing auf.
Auch ein zugehöriger Gesetzentwurf ist schon erstellt. Teil des Vorschlags sind etwa ein 50 km-Radius für das Energy Sharing und eine viertelstundengenaue Abrechnung, mit der Energy Sharing nicht nur eine Akzeptanzmaßnahme, sondern Vorreiter für das kommende Echtzeit-Energiesystem würde. Nölke erlaubt einen Einblick in die Unternehmensaktivitäten zum Thema: „Wir haben uns nicht nur konzeptuell intensiv mit Energy Sharing beschäftigt, sondern sprechen auch bereits mit Bürgerenergie-Partnern zu Umsetzungsideen. Daher hoffen wir sehr, dass die Politik nun Wort hält und die gemeinschaftliche Bürgerenergie-Versorgung endlich ermöglicht.“ Schließlich soll Energy Sharing die nächste Etappe bei der Bürgerenergiewende werden und für feuchte Augen nur noch aus Freude und nicht mehr aus Frust sorgen.
„Schon immer wollten wir mit unseren Geschäftsaktivitäten neben dem ökologischen Umsteuern auch eine gewisse emanzipatorische Wirkung erreichen. Da ist uns schon viel geglückt. Die aktuellen Fortschritte beim Thema Energy Sharing könnten nun die nächste Stufe auf diesem Weg zünden.“
naturstrom-Vorständin Kirsten Nölke